Geschichte des Sonnwendfeuers
Mit dem Gedanken, eine Sonnwendfeier am Ziegelsteiner Anger zu veranstalten, hatte sich die Vorstandschaft des Brauchtumsvereins schon länger befasst. Allerdings wollten wir den ortsansässigen Sportvereinen nicht in die Quere kommen.
Im Jahr 1999 haben wir dann aber doch erstmals eine solche Feier geplant und trotz widriger Wetterverhältnisse großen Zuspruch bei der Bevölkerung Ziegelsteins gefunden. Damit gehörte die Sonnwendfeier nun auch zu den regelmäßigen jährlichen Veranstaltungen des Ziegelsteiner Brauchtumsvereins.
Bei den Planungen und die Vorbereitungen konnten wir auf die Erfahrungen des Kartoffelfeuers zurückgreifen. Neben Speis und Trank, sowie einer Feuerrede wird an diesem Abend auch gemeinsam gesungen. Ein Liedblatt wird erstellt und vervielfältigt.
Aber wir wollen uns hier auch etwas um den geistigen Inhalt einer solchen Sonnwendfeier kümmern. Am besten eignet sich hierzu der Auszug einer "Feuerrede". Das Feuer faszinierte die Menschen seit jeher und so ist es kaum verwunderlich, dass es bei Kulthandlungen und religiösen Zeremonien seit altershehr eine Rolle spielt. Anderseits sind es die Vorgänge in der Natur, welche die Menschen aufmerksam beobachten und ihrem jeweiligen Stand geistiger Erkenntnis und seelischer Entwicklung entsprechend zu deuten versuchten. Je mehr sich Menschen den Naturgewalten ausgeliefert sahen oder von den Ereignissen bedroht fühlten, suchten sie diese zu beeinflussen.
Die Zeiten der Sonnenwenden, Winter wie Sommer, wurden seit jeher als bedeutungsvoll und faszinierend erlebt. Kein Wunder also, dass alte keltische und germanische Bräuche zur Wintersonnenwende wie zur Sommersonnenwende sich ähnelten und, da es ja um den jeweiligen Wendepunkt des riesigen, lebensspendenden Feuergestirns "Sonne" ging, mit Feuern auf den Bergen gefeiert wurden. Bei der Christianisierung erwiesen sich die Missionare als pragmatische Psychologen. Sie konnten oder wollten den Menschen ihre alten und vertrauten Bräuche nicht nehmen, und so wurden diese Bräuche einfach mit neuer Bedeutung gefüllt. So geschehen auch mit der Sommersonnenwende. Wurde die Geburt Christi im Winter gefeiert, so legte man den Geburtstag des letzten Propheten und Wegbereiters des Heilands, Johannes, auf den längsten Tag des Jahres. Damit begründete sich die Tradition, aus dem Sonnwendfeuer ein Johannisfeuer zu machen, zu Ehren des Täufers Jesu. Diese Johannisfeuer wurden nun allerdings nicht mehr auf den Bergen abgebrannt, sondern auf Marktplätzen und Angern. Wir befinden uns also, was die Ortswahl anbelangt, in guter christlicher Tradition.
In den dunklen Zeiten unserer jüngeren Geschichte benutzten auch die Nationalsozialisten die Sonnenwenden für ihre Ziele, wenn sie in einem Germanisierungswahn die Sonnwendfeuer wieder auf die Berge holten und sangen "Hohe Nacht der großen Feuer, die auf allen Bergen sind..." So behielten die Sonnwendfeuer nach dem letzten Weltkrieg einen unangenehmen Beigeschmack.
Das Sonnwendfeuer kann uns daran erinnern, dass Tradition und Brauchtum an sich noch keinen erhaltenswerten Sinn macht, sondern erst im Zusammenhang mit der jeweiligen zeitlichen, religiösen, kulturellen und politischen Epoche verstanden werden kann. Brauchtum, auch das Sonnwendfeuer, ist für uns dann sinnvoll, wenn es aus der Erinnerung und Kenntnis der Vergangenheit Verständnis für unsere heutige Zeit mit ihren Aufgaben und Herausforderungen erweckt und das friedliche und gesellige Miteinander fördert.
So ist auch das Anliegen unseres Brauchtumsvereins nicht etwa, uns als ewig Gestrige in die Vergangenheit zu träumen. Wir wollen vielmehr aktuelle und moderne Formen mit traditionellen Grundlagen zusammenbringen. Überliefertes für aktuelle Bedürfnisse nutzbar machen und heutiges Lebensgefühl mit dem verbinden, was uns von Vergangenem auch heute noch nutzbar und hilfreich sein kann. Darum haben wir uns auch heute hier beim diesem Feuerstoß zusammengefunden.